Aufgrund seines Marktvolumens gilt das Vereinigte Königreich für deutsche Anbieter als attraktiver Absatzmarkt für E-Health-Lösungen. Durch die Coronakrise hat die Nachfrage nach Gesundheits-Apps und digitalen Sprechstunden stark zugenommen.

Richtungsweisend für die Digitalisierung des britischen Gesundheitssystems ist die im Oktober 2018 vom Gesundheitsministerium veröffentlichte Strategie. Danach soll bis 2024 die Sekundärversorgung vollständig digitalisiert werden. Alle Patienten erhalten dann das Recht auf ärztliche Sprechstunde per Telefon oder via Internet. Dies wird durch die Coronakrise beschleunigt. So haben Ärzte kurzfristig einen erweiterten Zugang auf die digitalen Krankenakten erhalten. Auch digitale Sprechstunden sind seit Anfang Juni 2020 in größerem Stil möglich.
Zu den großen Investitionsrahmenprogrammen der Regierung gehört das Health System Led Investment-Programm von 2018. Von den insgesamt 466 Millionen Euro entfällt die Hälfte auf das letzte, derzeit laufende Investitionsjahr 2020/2021. Die Mittel stehen für Digitalisierungsprojekte von mehr als 40 regionalen Zusammenschlüssen zur Verfügung. Eingesetzt werden sie etwa für systemübergreifende elektronische Patientenakten, erweiterte Kapazitätsplanung in Krankenhäusern sowie den Informationsaustausch im Gesundheits- und Pflegebereich. Ein Nachfolgeprogramm ist noch nicht bekannt.
Laut dem Marktforschungsunternehmen LaingBuisson beläuft sich britische Markt für Digital Health und IT-Lösungen auf umgerechnet etwa 5,7 Milliarden Euro. Der größte Kunde ist der öffentliche Gesundheitsdienst National Health Service (NHS). Der private Sektor macht lediglich 285 Millionen Euro des Marktvolumens aus. Wie attraktiv der große Abnehmer NHS ist, zeigt sich vor allem in der Coronakrise. Die Nutzung digitaler Lösungen im Gesundheitswesen und die Nachfrage nach Gesundheits-Apps ist deutlich gestiegen. So hatte die NHS App bis zum 5. April 2020 bereits rund 520.000 Nutzer. Über die App können Patienten zum Beispiel digitale Rezepte abwickeln, Hausarzttermine ausmachen und private Gesundheitsdaten einsehen.
Für den Zugang zum NHS sind ein gutes Netzwerk und Geduld mit den komplexen Strukturen des britischen Gesundheitsdienstes nötig. Denn der NHS ist nicht zentral über das gesamte Königreich organisiert, sondern über seine Landesorganisationen in England, Schottland, Wales sowie Nordirland. Das Potenzial hingegen ist groß: Bis zum Geschäftsjahr 2023/2024 steigt das Budget für den Gesundheitsdienst in England von derzeit rund 138 Milliarden Euro (2019/2020) jährlich um rund fünf Prozent auf circa 169 Milliarden Euro. Mittelaufstockungen sind nach der Coronakrise nicht ausgeschlossen.