Technische Keramik ist ein unterschätzter Werkstoff, der auch in der Medizintechnik im Vergleich mit Metall oder Kunststoff bisher geringe Berücksichtigung findet.

Bauteile, die in medizintechnischen Geräten und Instrumenten zum Einsatz kommen, müssen besonders hohe Anforderungen erfüllen; dazu zählen Zuverlässigkeit und Ausfallsicherheit, Langlebigkeit, Bruchfestigkeit oder Biokompatibilität. Technische Keramik ist ein besonders widerstandsfähiger und langlebiger Werkstoff, der in der Medizintechnik eine Alternative zu bewährten Materialien aus Metall oder Kunststoff darstellt.
Eine der herausragenden Eigenschaften Technischer Keramik ist ihre enorme Härte und Festigkeit, wie sie für chirurgische Messer oder Endoskopspitzen gefragt ist. Eine Materialkenngröße ist die Biegefestigkeit, die der Abschätzung der Festigkeit und der Dimensionierung von keramischen Werkstoffen dient. Bei Überschreitung eines spezifischen Werts tritt Bruch ein. Die Biegefestigkeit von Aluminiumoxid, einem häufig eingesetzten keramischen Werkstoff, beträgt bis zu 580 MPa bei einer Temperatur von 25° Celsius; die von Zirkoniumoxid (ZTA) liegt sogar bei über 1.000 MPa. Im Vergleich dazu: Hochleistungskunststoff Polyetheretherketon (PEEK) hat eine Biegefestigkeit von maximal 170 MPa und handelsüblicher Baustahl (S235JR) von 180 MPa.
Ein weiterer Aspekt ist die Druckfestigkeit von Keramik; sie beträgt das Fünf- bis Zehnfache der Biegefestigkeit. Deshalb sollte Keramik vorzugsweise auf Druck belastet werden. Insgesamt zeichnet sich Technische Keramik also durch sehr gute Festigkeit aus.
Filigrane Bauteile im Mikrospritzgussverfahren
Dank der Weiterentwicklung der Fertigungsverfahren von Technischer Keramik sind immer komplexere Geometrien der Bauteile möglich. Daran hat zum einen der Keramische Spritzguss einen großen Anteil, der hohe Flexibilität in der Formgebung ermöglicht. Kleinste Teile und sehr enge Toleranzen lassen sich mit dem Mikrospritzgussverfahren realisieren, das Sembach seit einiger Zeit anbietet. Gerade im Bereich der Medizintechnik, wo es oft um Kleinstteile geht, ist Mikrospritzguss das Verfahren der Wahl, da es sich trotz der geringen Materialmengen um einen kontrollierten Produktionsprozess handelt, der in der Medizintechnik lückenlos nachvollziehbar sein muss.

Sembach im Mikrospritzgussverfahren, das filigrane Geometrien und
engste Toleranzen ermöglicht. Quelle: Sembach
Endoskopspitzen aus ZTA
Ein mögliches Einsatzfeld für Technische Keramik sind Endoskopspitzen für minimalinvasive Eingriffe, die unterschiedliche Anforderungen erfüllen müssen. In einem Anwendungsfall von Sembach fiel die Materialwahl auf Technische Keramik, da diese sowohl biokompatibel als auch in besonderem Maße elektrisch isolierend ist. Zusätzlich werden die Endoskopspitzen mit Metall beschichtet, um schließlich mit Strom belastet zu werden und so Gewebe im Körper veröden zu können. Die Eigenschaften von Kunststoff, der ebenfalls elektrisch isolierend wäre, reichen hier nicht aus, da er nicht über eine ausreichende Wärmebeständigkeit verfügt. Keramische Werkstoffe sind für extrem hohe Einsatztemperaturen ausgelegt: Das häufig verwendete Aluminiumoxid hält Temperaturen zwischen 1.400 und 1.700 °C stand. Kunststoff hingegen verträgt maximal eine Einsatztemperatur von 300 °C, Stahl im Vergleich von maximal 1.000 °C.
Biokeramik für den Einsatz im Körper
Kunststoff hält der Anforderung nicht stand, an die Körperumgebung möglichst keine Rückstände abzugeben. Keramik dagegen ist extrem hart, dadurch in höchstem Maße verschleißfest und so sehr gut geeignet für den Einsatz im Körper. Sembach hat sich auf medizintechnische Geräte und Bauteile, die zwar mit dem Körper kurzfristig in Kontakt kommen, den Körper im Anschluss aber auch wieder verlassen, spezialisiert. Jedoch bleibt anzumerken, dass selbst wenn kleinste Spuren von Keramik im Körper verblieben, keine negativen körperlichen Reaktionen darauf zu erwarten sind. Als biokeramische Grundwerkstoffe für medizintechnische Bauteile, die mit dem Körper in Kontakt kommen, werden hochreines Aluminiumoxid, Zirkonoxid sowie Mischungen aus beiden verwendet – je nach Anforderung an das Bauteil. Im Mischungsverhältnis kommt es darauf an, ob eher Wert auf besondere Härte (= höherer Anteil Aluminiumoxid) oder auf Zähigkeit (= höherer Anteil Zirkonoxid) gelegt wird. Es gilt, eine Synergie zwischen Härte und Zähigkeit zu schaffen.
Verschleißfrei und langlebig
In einem weiteren Anwendungsfall hat Sembach für Dialysepumpen Achse und Lagerbuchsen produziert. Auch hier setzte der Kunde auf die hohe Verschleißfreiheit Technischer Keramik. Da die Komponenten mit dem zu pumpenden Blut in Berührung kamen, mussten alle Teile möglichst abriebfrei arbeiten und zudem formstabil und langlebig sein.
Neben den Oxid-Keramiken wie Aluminium- und Zirkonoxid können auch Nicht-Oxid-Keramiken wie Siliciumnitrid als Biokeramik für medizintechnische Bauteile eingesetzt werden. Siliciumnitrid ist in der Technischen Keramik ein sehr leistungsfähiger Werkstoff. Er hat sehr gute Hochtemperatureigenschaften und weist zudem eine extrem hohe Festigkeit auf, wodurch sich das Material sehr gut für das Schleifen scharfer Strukturen wie bei chirurgischen Messern eignet (ein weiterer passender Werkstoff für chirurgische Messer ist Zirkonoxid).
Technische Keramik – eine zukunftsfähige Alternative
Die modernen Herstellungsverfahren Technischer Keramik ermöglichen es, Bauteile in nahezu jeder Form und mit vielfältigen Eigenschaften realisieren zu können. In Sachen Widerstandsfähigkeit und Lebensdauer schneidet Technische Keramik deutlich besser ab als Metalle oder Kunststoffe. Neben positiven Materialeigenschaften wie Temperaturbeständigkeit, Formstabilität, geringem Verschleiß oder Biokompatibilität überzeugt Technische Keramik mittlerweile auch wegen ihre Leistungsfähigkeit und Kosteneffizienz und ist so prädestiniert für anspruchsvolle Anwendungen in der Medizintechnik.
Dieser Artikel erschien in der Ausgabe 5/2020 der MED engineering
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