Voraussetzung für die patientenorientierte Beatmung ist es, Atemgas-Flussraten möglichst genau zu berücksichtigen.

zugekauft und stammt aus einer Zulieferer-Kooperation: Kabel und
Steckverbinder kommen von der Nicolay GmbH, Sensoren von der
Sensirion AG.
Proximale, also patientennah platzierte Flow-Sensoren, ermöglichen es, die inspiratorische und exspiratorische Atemgas-Flussrate präziser als mit bisheriger Sensorik zu messen. Nur auf dieser Basis lässt sich das Atemzug-Volumen exakt berechnen. Bei herkömmlichen patientenfernen Messungen entstehen Ungenauigkeiten, verursacht durch Beatmungsschläuche, Befeuchtungsgeräte, Filter und Adapterstücke. Geräte-Toträume – also Volumina, die nicht zur Beatmung beitragen – und Leckagen sorgen dann als unbekannte Größen dafür, dass die gemessenen Flussraten von den tatsächlich beatmeten Werten abweichen, zum Teil ganz erheblich. Doch nur anhand exakter Werte lässt sich patientengerecht beatmen und individuelle pathophysiologische Veränderungen laufend berücksichtigen, sodass beispielsweise ein Einatem-Wunsch des Patienten vom Gerät mit einer Druck- oder Volumenerhöhung beantwortet wird. „Das ist entscheidend für eine effektive Beatmung von Erwachsenen, bei Frühchen aber aufgrund der Geräte-Toträume noch wichtiger“, erklärt Bernd Höhne, Geschäftsführer bei der Fritz Stephan GmbH, die spezialisiert ist auf Beatmungslösungen für Frühgeborene, Kinder und Erwachsene. Denn das Verhältnis von Toträumen und Patientenlungen- bzw. Beatmungsvolumen stehe bei den kleinsten Patienten in einem ungünstigen Verhältnis: „Bei etwa 5 ml Beatmungsvolumen pro Kilogramm Körpergewicht und geschätzten Geräte-Toträumen von ca. 5 ml kann es bei den ganz kleinen Frühchen im Extremfall bei eins zu eins stehen.“ Eine effektive Beatmung setzt dann sehr genaue Messwerte voraus. Und die lassen sich nur proximal ermitteln.
Flow-Sensoren können nur dann proximal platziert werden, wenn sie mit der warmen, feuchten Atemluft klarkommen, das heißt, wenn sich kein Kondensat bildet, das die Messergebnisse beeinträchtigt. Denn da die Nase bei intubierten Patienten umgangen wird, muss einerseits die zugeführte Beatmungsluft erwärmt und angefeuchtet sein und andererseits ist die Ausatemluft bei 37° C zu 100 % gesättigt. Bei der aktuellen Beatmungsgerätefamilie “Eve“ der Firma Fritz Stephan ist der Flow-Sensor das erste Element, das an den Tubus anschließt. „Diese Anordnung trägt zur Genauigkeit bei, ließ sich aber nur deshalb realisieren, weil wir neuartige, beheizte Sensoren verwenden, sodass sich kein Kondensat bilden kann“, erklärt Jens Amberg, Entwickler bei der Firma Fritz Stephan. „Ein weiterer Vorteil ist, dass diese Sensoren ohne jegliche Kalibration einsatzfähig sind.“ Die eingesetzte Sensor- Kabel-Komplettlösung ist zugekauft und stammt aus einer Zulieferer-Kooperation: Kabel und Steckverbinder kommen von der Nicolay GmbH, Sensoren von der Sensirion AG. Sie stehen Medizintechnik-OEMs ganz ohne Entwicklungs und Werkzeugkosten in unterschiedlichen standardisierten Varianten zur Verfügung. Was die Sensoren betrifft, kommt in “Eve In“ (für die Intensivstation) der SFM3300 für die Beatmung von Erwachsenen zum Einsatz. In “Eve Neo“ für die Beatmung von Neu- und Frühgeborenen ist es der SFM3400, der speziell für die sehr kleinen zu messenden Volumen in der Neonatologie entwickelt wurde. Die Geräte erkennen den angeschlossenen Sensor automatisch, was vor allem beim “Eve Tr“ (für den Rettungsdienst mit integrierter Turbine) von Vorteil ist, weil sich damit sowohl Frühchen als auch Erwachsene mit dem jeweils passenden Flow-Sensor beatmen lassen. Darüber hinaus lassen sich die Geräte alternativ mit einer wiederverwendbaren Sensor-Kabel-Komplettlösung oder der Version als Einmalprodukt bestücken. Eigens für die Beatmungsgerätefamilie Eve sind eine Leiterplatte sowie die Codierung der Stecker spezifisch angepasst worden. „Unsere Entwickler haben für die Anpassungen eng mit den Entwicklern von Nicolay zusammengearbeitet“, so Amberg. „Wir sind mehr als zufrieden, dass wir dafür einen Lieferanten mit ausgesprochener Medizintechnik-Kompetenz gefunden haben, der noch dazu in Deutschland sitzt.“
Neuentwicklung für nicht-invasive Beatmung
Ein völlig neuartiges Beatmungsgerät namens “Sophie“ ist praktisch fertig entwickelt und soll im Laufe des Jahres 2020 auf denMarkt kommen: Es verbessert die nicht-invasive Beatmung, bei der anstelle eines Endotracheal-Tubus eine Maske oder binasale Prongs eingesetzt werden. Die meisten Frühchen werden heute nicht-invasiv mit Maske beatmet. Dabei besteht keine druckdichte Verbindung zwischen Patient und Beatmungsgerät. „Wenn hierbei herkömmliche, druckgesteuerte Geräte verwendet werden, ist eine zuverlässige Bewertung des Atemzug-Volumens der In und Exspiration wegen des Lecks der Maske und der fehlenden Anschlussmöglichkeit für einen Flow-Sensor unmöglich“, erklärt Höhne. Das Ziel war also, auch mit Maske zuverlässig beatmen zu können. Die Lösung ist die “Nicolay-Doppelweiche“: Um das essentielle Atemzugvolumen bestimmen zu können, kommen zwei in das Beatmungsschlauchsystemintegrierte Flow-Sensoren parallel zum Einsatz. In Verbindung mit einemexternen Signal, aus dem sich ableiten lässt, wann der Patient einatmet, erzeugt die neu erdachte Messelektronik Totraum-korrigierte und Leckagen unabhängige Messwerte. Sie gestatten es erstmals, die nicht-invasive Beatmung zuverlässig zu überwachen. „Nachdem wir die Flow-Sensorik in der Eve-Produktfamilie kennen gelernt haben, konnten wir in der Entwicklung auf dieser Grundlage aufbauen und die ausgeklügelte Messelektronik und nötigen Synchronisationsmethoden für Sophie entwickeln. Die dazu passende Doppelweiche haben wir gemeinsam mit Nicolay entwickelt“, sagt Höhne. Er prognostiziert: „Ausmeiner Sicht steckt darin eine der wichtigsten Änderungen der Beatmungstechnologie der nächsten Jahre.“
Dieser Artikel erschien in der Ausgabe 5/20
Webiste: www.nicolay.de