Digitalisierung im Gesundheitswesen: Der Weg ist frei für Innovationen, die den Gesundheitsbereich revolutionieren sollen. Ein spannendes Thema, welches auch im Fokus der MedtecLIVE steht.
DiGA betreten den Gesundheitsmarkt: Das sind Medizinprodukte, deren Hauptfunktionen auf digitalen Technologien beruhen und genau dadurch den medizinischen Nutzen ermöglichen. Seit im Dezember 2019 das Digitale-Versorgungs-Gesetz (DVG) beschlossen wurde, sind Kostenerstattung und Einsatz gesetzlich geregelt. Mithilfe der Anwendungen sollen Erkennung, Überwachung, Behandlung, Linderung oder Kompensation von Krankheiten, Verletzungen oder Behinderungen vereinfacht und möglich gemacht werden. Dies geschieht, indem sie vom Patienten allein oder gemeinsam mit einem Arzt genutzt werden, so das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM). Nach dem Startschuss wurden die ersten „Apps auf Rezept“ im Oktober 2020 bereits zugelassen.

Die Vorteile der Innovation werden deutlich wahrgenommen. „DiGA haben das Potenzial, den Versorgungsprozess effizienter, innovativer sowie patientenzentrierter zu gestalten. Je nach Art der DiGA bietet sich den Ärzten zudem die Chance, anhand der Lösungen die Behandlung eines Patienten intensiver zu begleiten und genau anzupassen. Mit dem vermehrten Einsatz von DiGA werden digitale Lösungen zudem fest in die Versorgungsstruktur integriert und fördern somit die Vernetzung des gesamten Gesundheitswesens“, so Natalie Gladkov, Referentin für Digital Health beim Bundesverband Medizintechnologie (BVMed) und Mitglied im Fachbeirat der MedtecLIVE.

Auch Ariane Schenk, Referentin für Health & Pharma beim Kommunikationsverband Bitkom, welcher Unterstützer der MedtecLIVE und des MedtecSUMMITs ist, sieht ebenfalls optimistisch in die Zukunft: „Da es sich um zertifizierte Medizinprodukte handelt, die zusätzlich eine Vielzahl von Anforderungen an Datenschutz und Datensicherheit sowie Funktionstauglichkeit und Qualität erfüllen müssen, können sie bedenkenlos genutzt werden.“

Ein Mehrwert für Arzt und Patient also? Gibt es da überhaupt Unsicherheiten? „Ja, die gibt es, wie es sie immer bei neuen Technologien oder Prozessen im Gesundheitssektor gibt. Auch die DiGA müssen den Nachfragen nach Datensicherheit und Datenschutz standhalten, weswegen Informationen rund um Verschreibung und Handling umso wichtiger sind. Vielen ist noch immer nicht klar, dass gerade die DiGA, anders als andere Applikationen vom BfArM einer ausführlichen Prüfung in Hinblick auf Patienten- und Datensicherheit unterzogen werden.“, so Julia Hagen, Director Regulatory and Politics beim Health Innovation Hub (hih).
Es gibt im Grunde nur ein Risiko der DiGA: „Die größte Gefahr wäre es, wenn durch bestimmte neue regulatorische Vorgaben die aktuelle positive Stimmung und Innovationskraft gehemmt werden würde, indem das Verfahren nicht mehr für die Hersteller attraktiv erscheinen würde“, erläutert Gladkov.

Die vielen Chancen und Vorteile sorgen für viel Akzeptanz der DiGA. Dr. Julian Braun, Vorstandsmitglied beim Spitzenverband digitaler Gesundheitsversorgung e.V.: „Im Spitzenverband digitale Gesundheitsversorgung e.V. bekomme ich das große Interesse an digitalen Lösungen mit. Gleichzeitig gibt es aber auch ein großes Informationsbedürfnis. Wir sehen es als Vertreter der Hersteller daher als unsere Aufgabe, umfassend und transparent Ärzte, aber auch andere Akteure im Gesundheitswesen über DiGA zu informieren“.
Dieses Interesse sieht man nicht nur bei den verschreibenden Ärzten, sondern auch bei den (zukünftigen) Patienten. „Die Akzeptanz und das Interesse bei Patienten und Patientinnen ist sehr hoch. Ca. 75 Prozent der Menschen in Deutschland nutzen schon heute frei verfügbare Gesundheits- und Fitness-Apps. Ebenfalls groß ist das Interesse, sich Gesundheits-Apps verordnen zu lassen“, so Schenk. Neben den Befürwortern gibt es natürlich auch die Kritiker, die der Innovation skeptisch gegenüberstehen. „Unsere (nicht repräsentativen) Gespräche stützen die diversen Umfrage-Ergebnisse, die es in den vergangenen Wochen zu dem Thema gab: tendenziell würden etwa 60 Prozent der Ärzte eine DiGA verschreiben, wenn sie auf die vorliegende Indikation passt, während 40 Prozent der Ärzte weiter abwarten wollen. Aber niemand ist davon ausgegangen, sofort offene Türen einzurennen“, sagt Hagen.

Im Großen und Ganzen wird die digitale Zukunft positiv wahrgenommen. Christopher Boss, Leiter der Fachmesse MedtecLIVE, weist hierzu auf die Dialogplattform hin: „Die MedtecLIVE im Frühjahr 2021 bietet die perfekte Möglichkeit, sich über den aktuellen Stand und das Vorgehen anderer DiGA-Hersteller auszutauschen sowie Dienstleister und Sparringspartner als Hilfe für die Zulassung zu finden. Zudem bekommt man einen Überblick über neue Technologien und Innovationen im MedtecSUMMIT.“ Dr. Braun ist ebenfalls zuversichtlich: „Wir begreifen DiGA als Chance, jetzt die Digitalisierung des Gesundheitswesens in Deutschland wirklich umfassend und nachhaltig voranzubringen und DiGA in der Versorgung zu etablieren. Dann können wir hoffentlich bald und stolz sagen, dass Deutschland das erste Land mit erfolgreich integrierten digitalen Gesundheitsanwendungen in der Regelversorgung ist.“
Dieser Beitrag erschien in der Ausgabe 2/21 der MED engineering