Im Artikel der Woche diskutiert Uwe Gladbach von Clinflows die Wichtigkeit von Bilddaten für die Entwicklung in der Medizintechnik

Bei der Entwicklung vieler Medizinprodukte spielen bildgebende Verfahren eine entscheidende Rolle. Und auch bei minimalinvasiven Therapien, wie zum Beispiel der katheter-gestützten Implantation von Herzklappen, Endoprothesen oder neurovaskulären Gefäßstützen, erhalten sie einen stets wachsenden Stellenwert: So werden im Vorfeld der Implantation Bilddaten zur genauen Planung der Intervention und insbesondere zur Bestimmung der geeigneten Implantatsabmessungen / -größe genutzt. In manchen Fällen wird sogar die Implantation per Software simuliert.
Dies hört sich in der Theorie einfach an, ist aber in der Praxis teilweise gar nicht so leicht umzusetzen: Da die Komplexität der Interventionen immer häufiger eine interdisziplinäre Herangehensweise erfordert, kommen teils weltweit agierende Teams zum Einsatz. Dies wiederum erfordert Kommunikationsmittel, die die verschieden Teilnehmer untereinander vernetzen und ihnen die Möglichkeit geben, global Bilddaten auszutauschen, um entsprechende Therapieentscheidungen treffen zu können – und das Ganze auch noch datenschutzkonform. Die Lösung können web-basierte Tools sein, die es ermöglichen, jederzeit online auf die großen Bilddaten zuzugreifen – doch es muss auch Einiges beachtet werden.
Medizinische Bilddaten essenziell für die Entwicklung von Medizinprodukten
Gehen wir also einen Schritt zurück und beantworten die Frage, wann genau medizinische Bilddaten bei der Entwicklung von Medizinprodukten eigentlich zum Einsatz kommen. Neben vielschichtigen Aspekten, die zu organisieren sind, ist die Überprüfung der anatomischen Ein- und Auswahlkriterien eines Patienten in der First-in-Man-Phase maßgeblich entscheidend für den Erfolg einer Implantation. Dabei gilt es Industrie und Medizin, meist global, zu vernetzten. In den Phasen klinischer Studien werden die Patientenkohorten und die Anzahl teilnehmender Prüfzentren nun größer und multizentrisch. Endpunkte klinischer Studien mit Implantaten basieren oft auf bildabhängigen Ergebnissen, die zentral und objektiv von Forschungsinstituten analysiert werden. Auch dazu ist der Austausch und Versand von Bilddaten, manchmal unter Einbindung verschiedener Gremien in Begutachtungsprozessen notwendig.
„Neben vielschichtigen Aspekten, die zu organisieren sind, ist die Überprüfung der anatomischen Ein- und Auswahlkriterien eines Patienten in der First-in-Man-Phase maßgeblich entscheidend für den Erfolg einer Implantation. Dabei gilt es Industrie und Medizin, meistglobal, zu vernetzten. “
Uwe Gladbach
Sind klinische Studien nach jahrelanger Arbeit erfolgreich abgeschlossen und die Zulassung erfolgt, beginnt eine neue Herausforderung. Die erfolgreiche kommerzielle Markteinführung eines komplexen Implantationsproduktes in einen europäischen oder weltweiten Markt. Bei der Schulung und Beratung von implantierenden Kliniken sind die Patientenauswahl sowie die korrekte Implantatbestimmung und Vorgehensweise wichtig, die durch Online Screening-Verfahren unterstützt werden können. Dabei gilt es, die vorhandene Expertise maximal zu nutzen und in schnellstmöglicher Zeit zu multiplizieren.
Eine sehr wesentliche Ressource an Implantationserfahrung stellen die klinischen Spezialisten der Industrie dar, die üblicherweise exzellent auf das neue Produkt geschult sind und schon in der Studienphase klinikübergreifend die meisten Implantationen zwar nicht selber durchgeführt, jedoch vorbereitet und beratend begleitet haben.
Medizinische Bilder online austauschen: Es gibt viele Stolpersteine
Medizinische Bilder, wie Computertomographien (CT), Echokardiographien (US) und Angiographien (XA) werden im DICOM Format (digital imaging and communications in medicine) gespeichert und kommuniziert. Mit spezieller Betrachtungssoftware für DICOM-Daten lassen sich die Bilddaten darstellen und je nach Softwarekompetenz vermessen. Dies erfolgt manuell, teil- oder vollautomatisiert, bis hin zur Verwendung von Verfahren der künstlichen Intelligenz zur Bilddatenanalyse. Diese Bilddatensets, wenn es sich nicht gerade um einzelne Röntgenbilder handelt, weisen je nach Kompressionsgrad hohe Datenvolumina auf, die schnell mehrere Hundert MegaByte oder sogar einige GigaByte pro Patient aufweisen können. Daher lassen sich DICOM-Daten schon aufgrund ihres Datenvolumens nicht mit gewöhnlichen Versandmethoden wie beispielsweise der E-Mail versenden.
DICOM-Daten vor Austausch pseudonymisieren
Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass DICOM-Daten nicht nur die Bilddaten, also reine Pixelinformationen enthalten, sondern auch immer Metadaten, sogenannte DICOM Header. Diese beinhalten standardisiert technische Parameter, aber auch organisatorische und insbesondere persönliche Daten des Patienten. So erlaubt es der DICOM Standard auch patientenbezogene Daten wie etwa Name und Geburtsdatum in die Pixeldaten einzubrennen. Die sogenannten „burned-in annotations“ sind dann Teil der Pixelinformation und können nun nicht mehr so leicht gelöscht werden. Daher sollten webbasierte Austauschplattformen für medizinische Bilder schon allein aus Datenschutzgründen in der Lage sein, nutzerfreundlich DICOM-Daten zu anonymisieren bzw. zu pseudonymisieren.
Neben diesen bildbezogenen Fähigkeiten bieten einige professionelle Plattformen weitere nützliche Merkmale wie Kommunikationstools, Datenmanagement und Prozessabbildung – idealerweise web-basiert ohne Softwareinstallation, wie unsere Plattform decidemedical, die u.a. von führenden Medizinprodukt- und Medizintechnikherstellern in 90 Ländern eingesetzt wird. Einen äußerst wichtigen Aspekt nimmt beim Austausch von Patientendaten der Datenschutz ein. Persönliche Daten europäischer Patienten unterliegen der Datenschutzgrundverordnung (DSGV). Ein Arzt darf im Regelfall keine Daten an Dritte weitergeben ohne vorab das Einverständnis des Patienten für den beschriebenen Verwendungszweck eingeholt und dokumentiert zu haben. Der Datenverarbeiter wiederum muss technische und organisatorische Maßnahmen zur Datensicherheit implementieren und darf Daten nur im Rahmen eines Auftragsdatenverarbeitungsvertrages verarbeiten. Nun könnte man alle Patientendaten entfernen, aber dann könnten die Bilder auch nicht mehr beispielsweise von der teilnehmenden Klinik dem Patienten zugeordnet werden. Die Lösung hierfür liegt in der Pseudonmysierung, was bedeutet, dass alle direkten, einzelnen Identitäsparameter, wie Name, Geburtsdatum u.a. anonymisiert werden. Es ist aber falsch den gesamten Datensatz als anonymisiert zu bezeichnen.
Datenschutz: Server für den Bildaustausch sollten in EU stehen
Da die gesetzlich abgedeckten Datenbeobachtungsaktivitäten durch US-Behörden ein Datenschutzniveau gemäß EU Standards nicht erlauben, hat der Europäische Gerichtshof mit seiner Entscheidung vom Juli 2020 (Schrems II) die Gültigkeit des Privacy Shield-Verfahrens der USA aufgehoben. Das bedeutet Folgendes: Die Beteiligten müssen ab sofort demTransfer von Daten in Drittlandstaaten – dazu gehören die USA – besondere Aufmerksamkeit schenken. Man sollte bei der Wahl des Datenverarbeiters demnach darauf achten, in welchem Land die Datenserver stehen und ob der Datenverarbeiter der US-Jurisdiktion unterliegt. Europäische Anbieter sind dabei bezüglich der US-Datenbeobachtungsaktivitäten von Vorteil. Dabei ist zu beachten, dass laut DSGV auch schon der Zugriff auf Daten von EU-Bürgern als Transfer gilt. Auf jeden Fall muss der Patient explizit darüber informiert werden (§13 DSGV), wenn ein Datentransfer in Drittlandstaaten vorgenommen wird. Die praktische Umsetzung des Verbotes des Transfers von persönlichen Daten in Drittländer wie die USA werfen zurzeit enorme Fragen auf – nur ein Grund, warum es uns sehr wichtig ist, dass unsere Server in der EU stehen. Fakt ist, dass der Austausch medizinischer Bilddaten über Online-Plattformen professionell und vor allem datenkonform möglich ist. Nutzer sollten jedoch darauf achten, dass Anbieter die oben genannten Punkte berücksichtigen.
Dieser Artikel erschien in der Ausgabe 3/2021 der MED engineering.
Autor:

CEO ClinFLows
Website: clinflows.com