Sterilität ist in der medizinischen Diagnostik und für eine sichere Anwendung sensibler Medizinprodukte unerlässlich. Zu den gängigsten Methoden zählt die Sterilisation mit Strahlung.
Sterilität ist in der medizinischen Diagnostik und für eine sichere Anwendung sensibler Medizinprodukte unerlässlich. Nach der Norm DIN EN 556-1 gilt ein Medizinprodukt als steril, wenn die theoretische Wahrscheinlichkeit, einen lebensfähigen Mikroorganismus auf oder in dem Produkt zu finden, kleiner als 1:1.000.000 ist. Um diesen Zustand zu erreichen, müssen die Produkte einen der Herstellung nachgelagerten Sterilisationsprozess durchlaufen. Hierfür stehen verschiedene Verfahren und Technologien zur Verfügung. Zu den gängigsten zählt die Sterilisation mit Beta- bzw. Elektronen- und Gammastrahlung, denn dieser Prozess bietet eine Reihe von Vorteilen. Demgegenüber befindet sich der Einsatz von Röntgenstrahlung (X-Rays) in einer frühen Entwicklungsstufe. Daneben kann mit chemischen Verfahren, zum Beispiel der Begasung mit Ethylenoxid (EO oder EtO), oder mit Hitze sterilisiert werden.
Gemeinsamkeiten und Unterschiede von Elektronen- und Gammastrahlen
Beta- bzw. Elektronen- und Gammastrahlung erzeugt eine Schädigung des DNA-Moleküls im Zellkern von Mikroorganismen. Auf diese Weise verlieren diese zuverlässig ihre Reproduktionsfähigkeit und sterben ab – die Produkte werden steril. Beide Bestrahlungsarten folgen diesem Prinzip. Der wichtigste Parameter, um diese Art der Sterilisation mess-, dokumentier- und reproduzierbar zu machen, ist die Bestrahlungsdosis. Diese legt bei der Strahlensterilisation den erreichten Sterilitätsgrad fest (Sterility Assurance Level – SAL). Die Dosisleistung entscheidet über die Endeigenschaften des Produkts.
Über diese Gemeinsamkeiten hinaus unterscheiden sich Elektronen- und Gammastrahlen in mehreren Aspekten, wie Tabelle 1 zeigt.

Der Hauptunterschied zwischen den beiden Strahlenarten besteht in der Durchdringungsfähigkeit: Betastrahlung entspricht eher einer Partikelstrahlung mit beschleunigten Elektronen und weist daher eine begrenzte Eindringtiefe auf. Gammastrahlen hingegen haben als elektromagnetische Strahlung eine wesentlich höhere Durchdringungsfähigkeit.
In Anlagen mit Elektronenbeschleunigern wird mit beschränkter Eindringtiefe bei hohen Dosisleistungen gearbeitet, in Gammaanlagen hingegen mit einer hohen Durchdringungsfähigkeit bei geringerer Dosisleistung. Die Dosisleistung hängt von der installierten Gesamtaktivität ab. Anwendungstechnisch bedeutet dies, dass die Dosis in Elektronenbeschleunigern innerhalb von Sekunden aufgebracht wird – hierfür ist es notwendig, die auf einer Palette befindlichen Kartons einzeln zu bestrahlen.
In den Gammaanlagen von BGS wird die Gesamtstrahlungsdosis durch mehrfaches Umfahren der Quellenwand aufgebracht – hier sind größere Volumina möglich, sodass sich ganze Paletten gleichzeitig bestrahlen lassen. Die Verweilzeit im Strahlungsfeld variiert dabei je nach Produkt, für Medizinprodukte liegt sie üblicherweise bei mehreren Stunden.
Aus physikalischen Gründen erzeugen die eingesetzten Strahlenquellen – Elektronenbeschleuniger bis zu einer maximalen Energie von 10 MeV oder Gammastrahlen ausgehend vom Kobaltisotop 60Co – keine Radioaktivität. Um Mitarbeiter und Umwelt zu keiner Zeit auch nur der geringsten Strahlung auszusetzen, ist der Betrieb der entsprechenden Anlagen mit einer Reihe hoher Anforderungen an den Arbeits- und Sicherheitsschutz verbunden. Die Kenntnis der Regularien und der Aufwand des Anlagenbetriebs sind Gründe, warum Medizinproduktehersteller Sterilisationsprozesse in der Regel an einen spezialisierten Dienstleister auslagern.
Voraussetzungen für die Anwendung der Strahlensterilisation
Steht das Design eines neuen, zu sterilisierenden Produkts an, ist zunächst zu klären, ob das Verfahren der Strahlensterilisation Anwendung finden kann. Gleiches gilt für einen Wechsel von einem anderen Sterilisationsverfahren zur Strahlensterilisation. Bei der Beurteilung spielen unter anderem der konstruktive Aufbau, die Funktionalität, die Verpackung, das Packschema des Produkts und vor allem die verwendeten Materialien eine wichtige Rolle. Denn durch Bestrahlung ändern sich auch die Materialeigenschaften. Insbesondere bei Kunststoffen muss die Beständigkeit gegenüber ionisierenden Strahlen geprüft werden, da eine Bestrahlung zu Verfärbungen oder sogar funktionalem Abbau führen kann. Außerdem gilt: Für Produkte, die mikroelektronische Komponenten enthalten, ist die Sterilisation mit Strahlen nicht geeignet.
In einigen Fällen, in denen die Strahlensterilisation aufgrund der verwendeten Materialien nicht eingesetzt werden kann, ist die Begasung mit Ethylenoxid (EtO) das Verfahren der Wahl. Bei der EtO-Sterilisation handelt es sich um ein chemisches Verfahren mit mehreren Prozessparametern, unter anderem Gaskonzentration, Feuchtigkeit, Temperatur und Diffusionszeit. EtO ist ein Alkylierungsmittel, das die DNS von Mikroorganismen inaktiviert, sodass diese sich nicht mehr reproduzieren können. Das Verfahren eignet sich zum Beispiel für die Sterilisation von komplexen, fertig montierten Instrumenten oder Geräten mit integrierter Elektronik, sofern diese gasdurchlässig sind. Pulverförmige Stoffe sowie Produkte, die nicht feucht werden dürfen oder gasdicht verpackt sind, eignen sich für diese Form der Sterilisation hingegen nicht. Hier spielt wiederum die Strahlensterilisation ihre Vorteile aus. Mit der Begasung ist zudem eine Desorptionsphase von mehreren Tagen verbunden – die Produkte können also nicht sofort in Verkehr gebracht werden. Grundsätzlich setzt der Umgang mit dem brennbaren, toxischen und krebserregenden Gas eine stringente Überwachung der Produktionsumgebung voraus.
Strahlensterilisation verschafft Zeitersparnis
Die Strahlensterilisation ermöglicht als einziger Prozess, Produkte in der abgedichteten Endverpackung zu sterilisieren, ohne die Temperatur nennenswert zu erhöhen und ohne Chemikalien einzusetzen. Weil das komplette Produkt durchstrahlt wird, empfiehlt sich die Strahlensterilisation auch bei schwierigen Geometrien, wobei der Bestrahlung mit Elektronen in Abhängigkeit vom Aufbau und der Dichte des Produkts Grenzen gesetzt sind. Ein wesentlicher Vorteil der Strahlensterilisation ist zudem die enorme Zeitersparnis. Unter optimalen Bedingungen lässt sich eine ganze Lkw-Ladung innerhalb weniger Stunden sterilisieren. Freigabeparameter ist hierbei die applizierte Bestrahlungsdosis, die mithilfe der am Produkt angebrachten Dosimeter überprüft wird. Danach ist das Produkt ohne Wartezeit einsatzbereit und kann in Verkehr gebracht werden.
Autorin: Dipl.-Ing. Annett Heilmann, Key-Account-Manager, BGS