Die Grenzen des Messbaren – spannende Entwicklungen und neueste Trends in der Licht- und Elektronenmikroskopie auf der Microscopy Conference MC2021

Von tanzenden Atomen bis zu fundamentalen Fragen der Grenzen des Messbaren – nach fünf Kongresstagen zu aktuellen Entwicklungen und neuesten Trends in der Licht- und Elektronenmikroskopie ging die Microscopy Conference MC2021 erfolgreich zu Ende. Neue Forschungsergebnisse wurden in acht thematischen Sitzungen zu den Bereichen Life Sciences, Werkstoffkunde sowie Instrumentierung und Methoden von hochrangigen Experten aus allen Fachgebieten präsentiertet. Als einzige große Elektronenmikroskopietagung in Europa in diesem Jahr bot die MC2021 speziell auch für die sogenannten „Early stage researcher“ (ESRs) beste Möglichkeiten eines internationalen wissenschaftlichen Austauschs, um sich weiterzuentwickeln, zu vernetzen und neue Erkenntnisse zu gewinnen. Eine große Anzahl jüngerer ForscherInnen nutzten die Gelegenheit, ihre Arbeiten mit spannenden Vorträgen vorzustellen.
Die Präsentationen zeigten, dass die Trends bahnbrechender Verbesserungen in der Elektronenmikroskopie auf dem Gebiet der Abbildung und Analytik sowie auch die fortschreitende Automatisierung weiter fortgesetzt wurden. Es wurde deutlich, dass auch die Entwicklung noch effizienterer und schnellerer Detektoren und Messmethoden weiter vorangetrieben wird und weitere Fortschritte in Bezug auf Methodenentwicklung in der Phasenmanipulation von Elektronenstrahlen sowie die Flexibilität der verfügbaren Elektronenenergien stattfinden.
Neue Entwicklungen in Life Sciences und Materialwissenschaften auf der MC2021
Im Bereich der Life Sciences lag der Fokus auf neuen Entwicklungen der Kryo-Mikroskopie und in korrelativen Techniken, die unterschiedliche Messmethoden auf verschiedenen Größenskalen verbinden, um mit Hilfe dieser speziellen Technik die lebendige Natur besser verstehen zu können. Ein breites Spektrum interessanter Inhalte wurde abgedeckt – von der Probenpräparation über Aspekte der Grundlagenforschung bis hin zu diagnostischen und therapeutischen Anwendungen in Medizin und Biotechnologie. Im Bereich der Materialwissenschaften ging es neben materialbezogenen Schwerpunkten auch um unterschiedlichste Analysemethoden. In den Präsentationen wurde deutlich, wie sehr „in-situ“ und „in-operando“ Anwendungen an Bedeutung gewonnen haben. Zum Beispiel wurde gezeigt, dass durch Gas- oder Flüssigkeitszellen abbildende und spektroskopische Techniken die Untersuchung von chemischen Reaktionen und Prozessen beinahe in Echtzeit ermöglichen.
Ein weiterer Schwerpunkt waren Untersuchungen mit unterschiedlichsten analytischen Techniken sowie mikro- und nanomechanische Methoden zur Untersuchung von Struktur-Eigenschafts-Beziehungen in neuen funktionalen Materialien. Gut besucht waren die Sitzungen zu Energiespeichern, Katalysatoren und Halbleitern sowie zur Untersuchung von Metallen und Keramiken.
Elektronenmikroskopie in der medizinischen Forschung
In den Präsentationen zu Möglichkeiten der Kryo-Mikroskopie und Anwendungen von Maschine-Learning und Automatisierung wurde deutlich, welche wesentliche Rolle die hochauflösende Elektronenmikroskopie in der medizinischen Forschung spielt. In diesem Bereich wurden auch faszinierende Anwendungen der hochauflösenden Lichtmikroskopie vorgestellt, indem Proteine genetisch oder mit Farbstoffen markiert werden und im Organismus verfolgt werden können. Faszinierend war es mit Blick auf die Bekämpfung des Coronavirus zu erfahren, welch essentiellen Beitrag die hochauflösende Elektronenmikroskopie zum Erfolg der Impfentwicklung leisten konnte. Dabei war das Verständnis über den komplexen Aufbau der Virushülle von entscheidender Bedeutung.
Neue Entwicklungen in der Nanowissenschaft waren ein weiterer Kongress-Schwerpunkt. Neben interessanten Präsentationen zur Erzeugung und Untersuchung von Nanostrukturen, die sich durch chemische Prozesse oder gezielt mittels fokussiertem Ionenstrahl erzeugen lassen, wurden Forschungen zu 2D-Materialien mit besonderen elektrischen Eigenschaften, z.B. anisotropen dielektrischen Eigenschaften vorgestellt.
Diskussion zum EU-Projekt „Horizont Europe“ auf der MC2021
Ein besonderer Höhepunkt war die hochkarätige Diskussionsrunde zum EU-Projekt „Horizont Europe“, in der neue Forschungsinfrastrukturen vorgestellt wurden. International renommierte Experten beleuchteten, welche neuen Möglichkeiten das geplante Forschungsrahmenprogramm der Europäischen Union zur Bewältigung weltweiter Herausforderungen für die Elektronenmikroskopie bietet. Ausgehend von der Analyse bisheriger Projekte wurde die Frage erörtert, wie die Elektronenmikroskopie-Gemeinschaft in Europa einen breiten Zugang zu ihrem Know-how organisieren kann. Damit wird sie bei Themen wie Anpassung an den Klimawandel, gesunden Ozeanen, klimaneutralen Städten, gesunder Ernährung und Bekämpfung von Krebs auch weiterhin eine entscheidende Rolle spielen.
Hochkarätige Plenarredner und Preisverleihungen
Kongress-Höhepunkte waren spannend vorgetragene Präsentationen zu wichtigen aktuellen Themen. Renommierte PlenarrednerInnen wie Prof. Sandra van Aert (Universität Antwerpen), Prof. Sarah Haigh (University of Manchester), Prof. Dr. Stefan Raunser (MPI Dortmund), Prof. Andreas Rosenauer (Universität Bremen), Prof. Holger Stark (MPI Göttingen) und Dr. Marc Willinger (ETH Zürich) konnten die TeilnehmerInnen in exzellenten Vorträgen mit einer breiten Themenpalette begeistern – von tanzenden Atomen bis hin zu fundamentalen Fragen, wo die Grenzen des Messbaren liegen.
Besonderes Highlight war die Überreichung des alle zwei Jahre vergebenen international renommierten Ernst-Ruska-Preises an Dr. Julia Mahamid (EMBL, Heidelberg) und an Prof. David A. Muller (Cornell University, USA), mit dem die beiden Wissenschaftler für ihre herausragenden Leistungen auf dem Gebiet der Elektronenmikroskopie geehrt wurden. Mit der Auszeichnung „Harald Rose Distinguished Lecture“ wurde Prof. Joachim Mayer (RWTH Aachen und ER-C Jülich) geehrt.
Ausblick 2023
Im Anschluss an den vielfältigen Austausch zwischen jungen KollegInnen, erfahrenen WissenschaftlerInnen und Firmen zeigten sich die Tagungsleiter überzeugt, dass mit der MC2021 die erfolgreiche Reihe gemeinsamer Tagungen auch während der Pandemie weiter fortgesetzt werden konnte. Die nächsten Einblicke in die spannenden Eigenschaften der Welt der Atome und Moleküle sind auf der Jahrestagung MC2023 vom 26. Februar bis 2. März 2023 in Darmstadt zu erwarten.
Quelle: microscopy-conference.de