Im Interview mit dem Experten Dr. Claus Ziegenbein von ResMed sprechen wir über die obstruktive Schlafapnoe und über eine alternative Therapiemöglichkeit zur CPAP-Behandlung, die Unterkieferprotrusionsschiene.

MED: Herr Dr. Ziegenbein, was sind die Gründe für Schlafapnoe?
Dr. Ziegenbein: Eine gute Frage. Man unterscheidet zwischen verschiedenen Formen der Schlafapnoe. Im Zusammenhang mit der Unterkieferprotrusionsschiene sprechen wir von der obstruktiven Schlafapnoe. Hierbei handelt es sich um ein Krankheitsbild, bei dem letztendlich der obere Atemweg kollabiert und damit ein Verschluss der Luftzufuhr in die Lunge stattfindet. Prädestiniert für diese Krankheit sind ältere übergewichtige Menschen, vor allem Männer. Der gesunde Mensch hat im Schlaf einen Muskeltonus, der den Atemweg offenhält. Da übergewichtige Männer in der Regel mehr Fett in der Halsregion ablagern, steigert das weiche Gewebe des Gaumens die Kollapsneigung und begünstigt den Verschluss des Atemwegs. Außerdem nimmt mit zunehmenden Alter der Muskelgrundtonus ab, sodass die Zunge gerade in Rückenlage oft nach hinten rutscht.
Wie merkt man selber, dass man betroffen ist?
Dr. Ziegenbein: Der Schlafapnoe geht in der Regel ein heftiges Schnarchen voraus. Daher kann vor allem der Partner darauf aufmerksam machen. Selber wahrnehmen kann man es hauptsächlich tagsüber. Die Schlafapnoe verhindert, dass Sie in die regenerative Tiefschlaf- und Traumschlafphase kommen. Das führt dann zu Erschöpfungserscheinungen, weil sich der Körper im Schlaf weder physisch noch geistig erholen kann. So kann es vorkommen, dass man sich nach 8 Stunden Schlaf beim Frühstück trotzdem komplett gerädert fühlt. Das ist der typische Leidensdruck, der den Patienten dann zum Arzt treibt. Ein nicht erholsamer Schlaf kann sowohl berufliche als auch soziale Auswirkungen haben. Aber auch gefährliche Nebenwirkungen wie der Sekundenschlaf im Straßenverkehr sind eine der möglichen Folgeerscheinungen.
Kann es auch zu lebensbedrohlichen Szenarien im Verlaufe der Krankheit kommen? Ist eine Erstickung möglich?
Dr. Ziegenbein: Nein. Der Körper hat Kontrollmechanismen, die sogenannten Chemorezeptoren, die permanent prüfen, wie der Kohlendioxid- und Sauerstoffgehalt im Blut im Verhältnis stehen. Steigt der Kohlendioxidgehalt zu stark an, initiiert der Körper eine Weckreaktion, das sogenannten Arousal, d. h. der Muskeltonus nimmt zu, der Atemweg wird wieder geöffnet. Daher ist eine Erstickung eher unwahrscheinlich. Gefährlich kann es aber bei dem erhöhten Risiko, kardiovaskuläre Erkrankungen zu erleiden, werden: Der Sauerstoffmangel bedeutet Stress für den Körper. Dadurch hat man ein erhöhtes Risiko, beispielsweise einen Herzinfarkt oder einen Schlaganfall zu erleiden.

Dadurch kann die Zunge gerade in Rückenlage in den Gaumen rutschen und blockiert somit die Luftzufuhr.
Quelle: stock.adobe.com – Alexandr Mitiuc
Wie kann die Schiene dabei helfen?
Dr. Ziegenbein: Es gibt den Goldstandard in der Schlafapnoe-Therapie: Die CPAP-Therapie. Aber auch die Unterkieferprotrusionsschiene kann helfen. Die Schiene führt zu einer künstlichen Vorverlagerung des Unterkiefers gegenüber dem Oberkiefer. Dadurch, dass der Unterkiefer nach vorne verlagert wird, wird Raum für die freie Atmung im Rachen geschaffen. Ebenso erhält der Zungenmuskel eine Vorspannung, wodurch er weniger geneigt ist, nach hinten zu fallen. Damit bleibt trotz Kollapsneigung eine Luftzufuhr erhalten. Außerdem ist es wichtig zu erwähnen, dass es zwei Konstruktionsarten von Schienen gibt; solche die druckbasiert funktionieren – oder solche, die wie eine ResMed Narval TM CC einem zugbasierten Design folgen. Die Besonderheit hierbei ist, dass das zugbasierte System den Patienten dabei unterstützt, den Mund über Nacht geschlossen zu halten und die Zunge maximal vorzuverlagern.
Das Wirkprinzip der UKPS-Therapie findet sich auch darin bestätigt, dass es der gemeinsame Bundesausschuss im November 2020 für die vertragsärztliche Versorgung freigegeben hat. So kann es nun zur Kassenleistung werden. Bislang war es nur eine Privatleistung. Im Moment steht noch die Festlegung aus, welche Erstattung der Zahnarzt für seine Leistung im Rahmen der Schienenversorgung erhält. Danach kann festgelegt werden, was die Gesundheitskassen im Endeffekt für die Schienenversorgung bezahlen werden.
Wie beliebt ist die Schiene bei den Patienten?
Dr. Ziegenbein: Es gibt die sogenannte Orcades-Studie, die nachweist, dass die Patienten eine sehr hohe Compliance zum Produkt haben. Nach fünf Jahren Therapie sind es noch 83% der Patienten, welche die Schiene für 7 Stunden oder länger im Schlaf nutzen. Dieser hohe Wert der Therapie-Treue ist ein wichtiger Effekt für die zuverlässige Behandlung des Krankheitsbildes.
Und wie lange trägt man eine Schiene dann?
Dr. Ziegenbein: Es gibt für die Schlafapnoe noch keine Heilung, das heißt, es handelt sich hierbei um eine lebenslange Therapie. Allerdings hat man bei einer erfolgreich eingehaltenen, lebenslangen Therapie dieselbe Lebenserwartung wie ein ansonsten gesunder Mensch. Es gibt kaum eine vergleichbar wirksame Therapie in der Medizin wie die Schlafapnoe-Therapie.

Wie kommt man als Patient dann nach einer Diagnose an die Schiene?
Dr. Ziegenbein: Der Schlafmediziner erstellt nach gesicherter Diagnose eine Schienen-Verordnung und überweist an den Zahnarzt, der wiederum den Zahnstatus erfasst (genug gesunde Zähne für die Befestigung) und Maße nimmt, die für die Fertigung der Schiene erforderlich sind. Zusätzlich braucht es einen Zahnabdruck. Entweder ganz klassisch über den Alginat- oder Silikonabdruck oder in der modernen Variante mittels Intra-Oral-Scanner. Durch den Scan kann eine CAD/CAM-Datei erstellt werden, welche den gesamten Prozess digitalisiert. Die Produktionsstelle erstellt aus der Scandatei dann nach den Vorgaben des Zahnarztes ein Schienen-Design, welches mittels Selective-Laser-Melting-Verfahren umgesetzt wird. Nach Eingliederung der Schiene durch den Zahnarzt kommt es zu einigen Feineinstellungen (Titration) im Wechsel zwischen Zahn- und Schlafmedizinern, die sicherstellen, dass das Therapieziel mit der Schiene erreicht wird und diese richtig eingestellt ist.
Das klingt nach einigen Arztbesuchen für die Patienten.
Dr. Ziegenbein: Man darf nicht vergessen, dass hier interdisziplinär gearbeitet wird. Traditionell arbeiten die Bereiche der Schlafmedizin und Zahnmedizin nicht miteinander zusammen, zumindest nicht regelmäßig. Da müssen Netzwerke aufgebaut werden; Prozesse müssen sich einstellen. Dabei können digitale Plattformen wie „Narval-Easy“ helfen, die das interdisziplinäre Arbeiten fördern und den Datenaustausch zwischen den Parteien erleichtern.
Die Protrusionsschiene hat bis jetzt nur einen Zweitliniencharakter, sprich sie wird nur dann eingesetzt, wenn eine CPAP-Therapie nicht möglich ist. In wieviel Prozent der Fälle ist das der Fall?
Dr. Ziegenbein: Das ist schwer abzuschätzen. Es gibt relevante Studien, die angeben, dass in vielen Fällen eine CPAP-Therapie nicht auf Dauer durchgeführt wird. Im Mittel kommt es nach erster Anamnese in ungefähr 30 % der Fälle zu einer CPAP-Therapie, aus der dann wieder ein Teil abspringt. In der Regel sind das Klaustrophobiker, die Schwierigkeiten haben, mit einer Maske zu therapieren. Andere haben Probleme mit dem Überdruck. Oft äußern Patienten, dass der Druck als solcher nicht mehr tolerabel ist. In diesen Fällen kann die Schiene eine geeignete Alternative darstellen.
Sie sagten bereits, dass die Schiene im 3D-Druck Verfahren hergestellt wird. Passiert das bei Ihnen in-house oder haben sie einen Manufacturer?
Dr. Ziegenbein: Das passiert direkt bei ResMed in unserer Niederlassung in Lyon. In der Regel kann ein Zahnarzt davon ausgehen, dass er nach einem Interoral-Scan innerhalb von 10 Arbeitstagen eine fertige Schiene vorliegen hat.
Können Sie uns noch etwas mehr zum Laser-Sinterverfahren erzählen?
Dr. Ziegenbein: Ausgangsmaterial für das Sinterverfahren ist ein Polyamid. Dieses ist biokompatibel, geschmacks- und geruchsneutral und kann durch das Verfahren sehr dünn, passgenau und filigran verarbeitet werden. Dadurch hat die Schiene sehr geringe Wandstärken, was wiederum zu einem angenehmen Tragegefühl für den Patienten führt.
Welches Polyamid nutzt man genau hierbei?
Dr. Ziegenbein: Die Schiene selber besteht aus Polyamid 12, die Verbindungsstege zwischen den beiden Einzelteilen besteht aus Polyamid 11. Beide Komponenten sind somit ein Nylonmaterial, welches bereits ausführlich medizinisch getestet ist. Die Anforderungen der europäischen Medizinprodukte-Verordnung 2017/745 sind somit erfüllt.
Vielen Dank für die interessanten Einblicke, Herr Dr. Ziegenbein!
Das Interview führte Marc-Benjamin Aurin.
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