Im Bereich der Herstellung medizinischer Produkte spielt Sicherheit die größte Rolle. Um diese zu wahren, gilt es deren Usability besondere Aufmerksamkeit zu schenken.
Ob und inwiefern ein medizinisches Produkt Begeisterung bei seinen Anwendern hervorruft, spielt aus rechtlicher Sicht keine Rolle. Risiko und Nutzen dominieren in diesem Zusammenhang: Überwiegt letzterer mögliche Gefahren, die bei der Anwendung entstehen? Diese Frage gilt es unter anderem im Zusammenhang mit der Zulassung von Medizinprodukten zu beantworten. Als Wegweiser im Bereich der medizinischen Gebrauchstauglichkeit dienen die Richtlinien der US-amerikanischen Food and Drug Administration (FDA) und der EU-Medizinprodukteverordnung (MDR).
Risikofreie und effiziente Benutzung
Neben Branchen wie der Luft- und Raumfahrt oder Automobilindustrie gehört Usability Engineering in der Medizintechnik längst zur gängigen Praxis bei der Entwicklung und Zulassung von Produkten und Anwendungen. Doch im Gegensatz zu anderen Bereichen gelten im Gesundheitssektor strengere Regeln, die eine risikofreie Benutzbarkeit entsprechender Artikel und Geräte gewährleisten sollen. Denn gerade bei fehlender Usability steigt die Wahrscheinlichkeit, dass das Produkt mit Mängeln oder Fehlern behaftet ist und demnach eine eingeschränkte Funktionstüchtigkeit besitzt. Am Beispiel öffentlicher Defibrilatoren für Laien hat sich gezeigt, dass es gar zu direkten Verletzungen durch das Produkt kommen kann. Solche Vorfälle tragen langwierige Folgen für den gesamten Produktentwicklungsprozess: Damit zusammenhängende Behandlungen verzögern sich möglicherweise oder schlagen nicht wie gewünscht an, was wiederum zu weiteren Konsequenzen führt bis hin zur Gefährdung der körperlichen Sicherheit von Anwendern, Patienten oder Dritten. Demnach stellt die Gebrauchstauglichkeit eine wichtige Komponente im Entwicklungsprozess von sicheren und funktionsfähigen Medizinprodukten dar.
Auf europäischer Ebene
In der MDR finden sich genaue Anforderungen an die Gebrauchstauglichkeit von Medizinprodukten, die allerdings in Zusammenhang mit allgemeinen Informationen im Bereich der Sicherheit und Leistung stehen. Eine spezifische Definition existiert nicht, kommt der Begriff Usability selbst – zumindest in der aktuellen deutschen Fassung vom 26.05.2021 – doch nur zweimal vor. Dennoch lässt sich ein deutlicher Bezug zum Aspekt der Gebrauchstauglichkeit nicht von der Hand weisen, da die Verordnung an mindestens zehn Stellen klare Anforderungen an das Produkt und den Hersteller stellt. Dieser muss Risiken, die bei der Verwendung seiner Artikel entstehen, beseitigen oder minimieren. Auch die Fähigkeiten und Fertigkeiten der Nutzer gilt es in diesem Zusammenhang miteinzubeziehen und eine sichere Anwendung für Laien bedarf besonderer Berücksichtigung. Dementsprechend hoch ist der Anspruch an eine deutlich formulierte sowie illustrierte Gebrauchsanweisung. Jegliche Nutzungsfehler, wie beispielsweise aufgrund missverständlicher Produktgestaltung, setzt die MDR automatisch mit Produktmängeln gleich, wenn sich diese durch einen angemessenen Prozess hätten verhindern lassen. Darüber hinaus sieht die Verordnung eine technische Dokumentation rund um die Validierung des Produkts und seiner Konzeption vor, um eine sichere Nutzung zu gewährleisten. Im Fokus dieser Verordnung stehen alle Aspekte rund um die Gebrauchstauglichkeit von Medizinprodukten – Verikfikation und Evaluation eingeschlossen. Als Leitnorm für den europäischen Markt gilt in diesem Zusammenhang die Norm IEC 62366-1, die die Anforderungen an das Usability Engineering für Hersteller konkretisiert.
Aus US-amerikanischer Sicht
Wesentlich deutlicher in Bezug auf den Begriff Usability verhält sich das Guidance-Dokument der FDA, das eine eindeutige Forderung nach einem Human-Factors-Engineering-Prozess artikuliert. Dieser Begriff steht stellvertretend für Usability Engineering und findet sich im Gegensatz zur MDR häufiger im Dokument wieder, jedoch immer synonym im Zusammenhang mit Human Factors Engineering. Bereits die Definition des Terminus gibt Aufschluss über die wichtigsten Komponenten im Bereich der Gebrauchstauglichkeit medizinischer Produkte: Wissen über menschliches Verhalten, dessen Fähigkeiten und Einschränkungen. Zudem umfasst sie die systematische Gestaltung medizinischer Produkte sowie die entsprechende Schulung der Nutzer für eine sichere und effektive Anwendung. Ähnlich wie in der MDR umfassen die von der FDA formulierten Regeln nicht allein das Medizinprodukt selbst, sondern zugleich auch das damit zusammenhängende Labeling, das sich aus Verpackung, Gebrauchsanweisung sowie Beschriftung zusammensetzt. Hinsichtlich der Regelungen zur Usability verhält sich der Leitfaden der FDA spezifischer als die MDR, indem er die Anforderungen zur Testung und zur Datenanalyse der Fehler genau beschreibt und führt auf, welche Eigenschaften Benutzer haben müssen und welche Beschaffung ihre Umgebung aufweisen soll. Auch zur Planung, Durchführung und Dokumentation von Usability-Tests trifft der FDA-Leitfaden Aussagen.
Sicherheit über allem anderen
Zwar handelt es sich bei dem Guidance-Dokument der FDA formal gesehen um einen Leitfaden und keine Norm, weshalb es sich durch einen weniger formalen Duktus auszeichnet. Dennoch enthält das Schriftstück wichtige Hilfestellungen, die Hersteller einhalten müssen, sofern sie ihre Produkte auf dem US-amerikanischen Markt etablieren wollen. Darüber hinaus bietet die FDA sogar Rücksprachen an, um die Methodik der Produkttests zu bewerten. Letztlich referenziert das Dokument auf die Richtlinien der weltweit gültigen IEC 62366-1, die FDA leitet Unterstützung bei ihrer Umsetzung. Auf europäischer Ebene erhält der Faktor Nutzerorientierung im Bereich der Produktsicherheit mit dem Ende der Übergangszeit der neuen MDR-Fassung von Mai dieses Jahres endgültige Anerkennung. Durch die systematische Erhebung von Informationen rund um das Feedback der Anwender und möglicher (Nutzungs)probleme sorgt die Verordnung auch nach der Markteinführung dafür, dass die Gebrauchstauglichkeit der Produkte weiterhin gewahrt wird. Denn letztlich steht Sicherheit bei der Entwicklung von Medizinprodukten an erster Stelle. Nur durch die Schaffung universeller Richtlinien und die Prüfung des Herstellungsprozesses lässt sich gewährleisten, dass Produkte für medizinische Zwecke kein Risiko für Anwender und Patienten darstellen.
Autorin:

Kauer-Franz
Website: www.custom-medical.com