Von Plattformen bis Real World Data: Diese Top-3 MedTech-Trends beschäftigen die Start-Up-Szene 2022

Die Digitalisierung der Medizin nimmt auch in diesem Jahr weiter an Fahrt auf. Besonders für Start-Ups der MedTech-Branche bedeutet dies, das sich stetig verändernde Marktgeschehen im Auge zu behalten, um Risiken und Chancen frühzeitig zu erkennen. Dabei können bereits mit Blick auf die ersten Monate des Jahres 2022 Trends identifiziert werden, die die Start-Up-Landschaft nachhaltig beeinflussen werden. Was es mit diesen Innovationen im Feld der Medizin auf sich hat und welche digitalen Vorreiter sich bereits mit neuen Geschäftsmodellen im Markt tummeln, haben wir in unseren Top-3 Trends für die MedTech-Branche 2022 zusammengefasst.
PlattformlösungenAmerikanische Akteure machen es seit einigen Jahren vor: Digitale Services auf Plattformen gebündelt und entlang des Patientenpfades orientiert. Der Trend der Plattformlösungen, welcher bereits von amerikanischen Anbietern wie Teladoc Health gelebt wird, kann 2022 auch im europäischen Markt beobachtet werden. Erste Vorboten sendete das Schweizer Unternehmen Zur Rose, das unter seiner DocMorris-Brand seit einigen Monaten ein ganzheitliches digitales Gesundheitsangebot aufbaut. Das DocMorris-Care-Angebot macht deutlich, worauf es zukünftig ankommt: Einzellösungen geschickt bündeln, um eine vollständige Patient-Journey anbieten zu können und die Logiken des bestehenden (Vergütungs-)Systems zu nutzen. Auch für Start-Ups der MedTech-Branche birgt der Trend die Chance, innovative Geschäftsmodelle zu erschließen. Wie solche Digitallösungen aussehen können, zeigt das erst kürzlich gelaunchte Plattformmodel von Siemens Healthineers.
Siemens Healthineers: Plattform als Türöffner für Start-Ups im Krankenhausmarkt Flächendeckende Digitalisierung braucht Vernetzung – auch in der Gesundheitsindustrie. Deshalb hat sich das Medizintechnikunternehmen Siemens Healthineers der Herausforderung angenommen, eine eigene Plattform für Akteure des Gesundheitswesens zu entwickeln, die die Integration digitaler Lösungen, insbesondere in die klinische Routine, erleichtern soll. Durch die Plattform teamplay digital health platform connect soll es möglich werden, abteilungs- und institutionsübergreifende Interoperabilität zu nutzen, um operative Effizienz und klinische Effektivität durch die Vernetzung über eine gebündelte anbieter-, system- und geräteunabhängige Plattform zu steigern. Dabei bietet die Lösung eine Art „Mehrfachstecker“: Kliniken müssen nicht mehr jede Digital Health Lösung einzeln anbinden, sondern Start-Ups können sich an die Plattform anschließen und haben damit einen deutlich geringeren Integrationsaufwand. Gleichzeitig können Start-Ups über die Plattform einfacher und schneller Daten und Dokumente austauschen als bei einer Integration in Primärsysteme.
Real World DataFür Forschung wie Industrie haben sich diese Gesundheitsdaten in Form von Real World Data (RWD) in den vergangenen Jahren als besonders wertvoll erwiesen, um Medizin zukunftsfähig zu gestalten und technologische Innovationen zielgerichtet in den Alltag von Patienten und medizinischem Fachpersonal zu integrieren. Quellen und Hilfsmittel, die der Forschung und Industrie die Erhebung, Verarbeitung und Aufbereitung der Daten erleichtern, werden auch 2022 immer begehrter. Ob Wearables oder ePA – der Markt füllt sich nach und nach mit neuen digitalen Datenquellen. Institutionen wie das von der Bundesregierung geplante Forschungsdatenzentrum ermöglichen zumindest der deutschen Forschungslandschaft Zugang zu diesen. Auch Kostenträger arbeiten daran ihre Daten für Analysezwecke aufzubereiten. So hat die GWQ ServicePlus AG als Dienstleister von über 40 gesetzlichen Krankenkassen gerade ein Health Data Lab aufgebaut. Mit den Daten von 20 Mio. Versicherten entstand ein hochwertiger, anonymisierter Datenpool für Versorgungsanalysen und Real World Evidence. Doch auch die Industrie befindet sich auf dem Vormarsch, wenn es um die Verarbeitung und Aufbereitung von Real World Data geht. Dadurch wird das Angebot von Start-Ups wie heartbeat medical, die sich auf die Erfassung von qualitativ hochwertigen Patient-Reported-Outcomes (PROs) fokussieren, besonders attraktiv. Das erst kürzlich gegründete Unternehmen Honic, gibt einen ersten Vorgeschmack darauf, wie die Gesundheitswirtschaft zukünftig mit Gesundheitsdaten arbeiten kann.
Honic: Gesundheitsdaten aus dem Bienenstock„Daten für bessere Medizin“ – das hat sich das im Februar 2022 gegründete Unternehmen Honic auf die Fahne geschrieben. Mit dem Honic Medhive® möchte das Start-Up einen sicheren Datenraum für medizinische Forschung und Entwicklung in Europa schaffen. Neben der DSGVO-konformen Speicherung und Verarbeitung auf einer Plattform, ermöglicht der Honic Medhive® mit Hilfe von Datentreuhändern und Verschlüsselungstechnologien auch die use-case spezifische Aggregation und Kombination medizinischer Versorgungsdaten. Diese können anschließend gänzlich DSGVO-konform für die Forschung und Entwicklung durch Dritte bereitgestellt werden. Wie in einem Bienenstock sammelt das Unternehmen also medizinische Real World Data, welche anschließend in den „Honig von morgen“ – in diesem Fall aufbereitete Versorgungsdaten – verwandelt und von Forschung und Industrie genutzt werden kann. Sie sind damit einer der ersten Pioniere im europäischen Raum, der sich diesem Trend annimmt. Für Start-Ups der Medizintechnologie gibt es 2022 vielfältige Möglichkeiten, auf den Zug aufzuspringen und die Marktlücke rund um Real World Data zu schließen.
Digital-Health-EducationImmer mehr digitale Lösungen erobern den deutschen Gesundheitsmarkt – und damit auch medizinische Fachkräfte und Patienten. Der Nutzen der Innovationen konnte bereits durch vielfältige Studien und Pilotprojekte unter Beweis gestellt werden. Woran scheitert ihr flächendeckender Erfolg dann noch? Vorrangig an der Ausbildung und Digitalkompetenz der Nutzer. Denn nur, wenn Patienten, Ärzte und medizinische Fachkräfte das Potenzial von digitalen Lösungen verstehen und diese selbst anwenden können, werden sich die digitalen Helfer auch dauerhaft in Kliniken, Praxen und dem Eigenheim etablieren können. Die Initiative ergreifen viele Herstellerunternehmen bereits selbst. Die Möglichkeit, ein gutes Edukationsangebot aufzusetzen, haben nahezu alle Akteure im System – ob Pharmaunternehmen, Software-Hersteller oder MedTech-Start-Up. Wer sich am Ende dazu entscheidet, hat die Chance, sich einen Wettbewerbsvorteil zu sichern und das eigene innovative Brandimage zu stärken.
DiGA info GmbH: Online-Portal für digitale
GesundheitsanwendungenErste Anbieter und insbesondere Herstellerunternehmen für digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) haben die Wichtigkeit von Edukation bereits 2021 aufgegriffen und Informationsangebote wie die DiGA info GmbH als gemeinsames Projekt von fünf DiGA-Herstellern geschaffen. Mittels Webinaren, Schulungen und Informationsmaterial schult das Online-Portal der DiGA Info GmbH Ärzte und medizinisches Fachpersonal im Umgang mit den digitalen Gesundheitsanwendungen. Im Fokus stehen dabei Themen wie Rezepterstellung, Verordnung und Vergütung der digitalen Lösungen, aber auch individuelle Fragen zu einzelnen DiGAs. Mit dem Online-Portal tragen die Partner-DiGAs Selfapy, M-sense, Vivira, Zanadio und somnio aber nicht nur zur Weiterbildung medizinischer Leistungserbringer bei. Sie treiben auch die eigenen Verordnungszahlen in die Höhe. Denn nur wer das Konzept DiGA verstanden hat, kann es zukünftig auch nutzen, bewerten und verschreiben. Ein gelungenes Beispiel, wie die richtige Edukation von Nutzerzielgruppen Wettbewerbsvorteile gegenüber der Konkurrenz sichern und den medizinischen Fortschritt in Deutschland wie Europa vorantreiben kann.