Covid-19 hat die traditionellen Konzepte medizinischer Tests in Frage gestellt und möglicherweise die Tür für den künftigen Einsatz einer breiteren Palette von Tests zur häuslichen Anwendung geöffnet.

Bestimmte medizinische Tests, wie zum Beispiel Schwangerschaftstests oder die wichtige Überwachung des Blutzuckerspiegels bei Diabetes, werden bereits jetzt zu Hause durchgeführt, jedoch ist das Spektrum hier immer noch sehr überschaubar. Der Großteil der medizinischen Testaktivitäten beginnt stattdessen am „Point of Care“ (POC), also in Krankenhäusern und Arztpraxen. Die Durchführung der Tests selbst erfolgt dann durch externe, zentrale Labors, was dem Umfang und der Komplexität der benötigten Geräte und chemischen Reagenzien geschuldet ist.
Dieses seit langem etablierte Konzept ist den Patienten bestens vertraut. Wenn bei einem Arztbesuch eine Laboruntersuchung angeordnet wird, wird die entsprechende Probe an das zuständige Labor eingeschickt. Abhängig vom Test und von der Entfernung zum Labor liegt das Ergebnis dann binnen Stunden oder spätestens nach einigen Tagen vor.
Nicht alle Tests sind gleich
Die hohe Infektiosität von Covid-19 verlangte nach der schnellen Identifikation und Isolation infizierter Personen. Die Notwendigkeit massenweiser Covid-19-Tests war somit klar, aber rasch wurde auch deutlich, dass jede Testmethode ihre spezifischen Vor- und Nachteile hatte.
Im Labor durchgeführte Tests basierten meist auf molekularen Verfahren. Bei PCR-Tests etwa erfolgt eine Amplifikation, bevor die Probe auf das Vorhandensein des Virus geprüft wird. Mit diesem höchst empfindlichen Verfahren lassen sich somit bereits sehr niedrige Virenkonzentrationen feststellen, aber dafür beträgt die Wartezeit bis zum Vorliegen des Ergebnisses mindestens 24 Stunden.
Schnelltests für den Gebrauch zu Hause liefern dagegen schon nach 15 Minuten ein Ergebnis, sind dafür aber weniger genau, da sie auf Antigenen oder Antikörpern beruhen. Da bei Antigen- oder Antikörpertests jedoch keine Amplifikation erfolgt, sind sie deutlich weniger empfindlich. Zwar stehen bei diesem Testverfahren die Ergebnisse schneller zur Verfügung als bei molekularen Tests, aber die Viruslast des Patienten muss genügend hoch sein, um die Detektierungsgrenze zu überschreiten. Hier dauert es somit nach einer Infektion länger, bis ein positives Ergebnis erzeugt wird. Der Vorteil, den es hat, wenn man zu Hause testen kann und binnen einer Viertelstunde das Ergebnis hat, wird auf jeden Fall deutlich geschmälert, wenn dieses Resultat nicht verlässlich ist.
Die Entwicklung von Tests für den Hausgebrauch
Angesichts der gewonnenen Erkenntnisse konzentrieren sich die Testhersteller darauf, kleinere, automatisierte und kosteneffektive Versionen der laborbasierten PCR-Technik und ähnlicher molekularer Methoden zu entwickeln. Entsprechende Lösungen würden dazu beitragen, die Welt der medizinischen Tests vom aktuellen zentralisierten Modell zu einem eher dezentralen Konzept zu wandeln.
Parallel dazu sind die Schnelltest-Hersteller inzwischen bestrebt, ihr Angebot an Point-Of-Care-Tests auf weitere hochansteckende, schädliche und potenziell tödliche Viren wie etwa sexuell übertragbare Krankheiten oder Grippe zu erweitern.
Wer mit einem rauen Hals und einer laufenden Nase aufwacht und sich fragt, ob es wohl Grippe, Covid oder eine normale Erkältung ist, muss eine Arztpraxis aufsuchen. Bis zum Erreichen der Praxis könnte der Patient aber bereits mehrere Menschen infiziert haben.
Schnelle POC-Tests können bereits nach einigen Minuten Ergebnisse liefern und damit zügigere klinische Entscheidungen ermöglichen, was die Kosten senkt und der Lebensqualität der Patienten zugutekommt.
Besser wäre es, wenn ein einziger Test anhand einer Probe die Präsenz mehrerer Viren mit ähnlichen Symptomen abklären und ein Ergebnis in Laborqualität liefern könnte, ob zu Hause oder in der Arztpraxis. Die potenziellen Auswirkungen eines solchen Produkts liegen auf der Hand – nicht nur durch den erleichterten Zugang zu den Tests, sondern auch wegen der geänderten Ausbreitungswege in künftigen Grippesaisons. Molekulare Tests auf mehrere Pathogene sind in der Tat so etwas wie der Heilige Gral der Point-of-Care-Tests.
Auf die Flexibilität kommt es an
Auf dem Markt sondiert man Multitarget-Tests, die sich für die Diagnose verschiedener Viren mit ähnlichen Symptomen eignen. Erfolgsentscheidend ist es hier, die Testvorrichtungen so zu bauen, dass sie sich einfach anpassen lassen, wenn im Laufe der Zeit weitere Untersuchungen hinzukommen. Dieses Konzept ermöglicht nicht nur den Herstellern ein schnelles Reagieren, wenn ein neues Virus entsteht, sondern macht auch ein mehrfaches Durchlaufen der Zulassungsverfahren überflüssig. Das multifunktionale Testsystem absolviert das Zulassungs-Prozedere der FDA (Federal Drug Administration) nämlich als Paket, sodass nicht jede neue Untersuchung ihre eigene Instrumentenfreigabe benötigt.
Eine Möglichkeit zum Testen auf mehrere Krankheitserreger findet sich in Arztpraxen oder Tageskliniken. Dabei ergeben sich zwei Vorteile: Erstens haben solche medizinischen Einrichtungen häufig nur begrenzten Platz zur Verfügung, sodass die Verwendung eines einzigen, multifunktionalen Geräts eine attraktive Option ist. Zweitens ergeben sich Vorteile für das stets unter Zeitdruck stehende Personal, das nur den Umgang mit einem einzigen Gerät erlernen muss, anstatt sich bei Dutzenden verschiedener Geräte mit der richtigen Reihenfolge der Arbeitsschritte vertraut machen zu müssen.
Einen klaren Pluspunkt bietet dieses Konzept auch im Bereich der Sexualgesundheit. Wenn am Point of Care ein Test zur Verfügung steht, der gleichzeitig auf mehrere sexuell übertragbare Krankheiten testen kann, ist dies sowohl vom Platzbedarf her als auch hinsichtlich der Zweckmäßigkeit von Vorteil. Ein Folgetermin wäre nicht mehr erforderlich. Nur noch ein Arztbesuch wäre nötig, um eine Diagnose zu stellen und eine Therapie zu verschreiben. Dies ist speziell auf dem sensiblen Gebiet der sexuellen Gesundheit von Wichtigkeit, denn Studien zufolge kehren bis zu 50% der Personen, denen ein positives Testergebnis mitgeteilt wird, nicht wieder in die Arztpraxis zurück, um ihre Krankheit auch tatsächlich behandeln zu lassen.
Testsysteme für mehrere Krankheiten
Die Chancen für die Testhersteller liegen somit auf der Hand, aber der Weg zu ihrer Nutzung ist nicht gerade einfach. Es kommt darauf an, über Know-how in der Messtechnik und Sensorik zu verfügen, aber diese Unternehmen sind nicht auf Elektronik und komplexe Signalketten, sondern auf Chemie spezialisiert. Die Signatur eines Virus mag sich schnell erkennen lassen, aber der Bau von Produkten wie etwa eines Potentiostaten oder eines hochempfindlichen Fluoreszenzdetektors nimmt mehr Zeit in Anspruch.
Lösungen aus diskreten Bauelementen, wie sie heutzutage auf dem Markt sind, benötigen mehr Bauteile, nehmen mehr Platz in Anspruch und sind außerdem teurer und weniger flexibel als integrierte, softwaredefinierte Lösungen.
Die Zusammenarbeit mit Analog Devices als einem Unternehmen, dessen Expertise diskrete und integrierte Lösungen, aber auch präzise optische Systeme und elektrochemische Lösungen umfasst, kann Testanbietern helfen, sich auf ihr eigentliches Kompetenzgebiet zu konzentrieren, nämlich die Wissenschaft. Der IC-Partner beliefert sie dafür mit integrierten, zukunftssicheren Lösungen, die ihnen bei der schnelleren Markteinführung helfen, und zwar zu niedrigeren Kosten und mit herausragenden Lösungen, die sich rasch an geänderte Marktanforderungen anpassen lassen.
Ein Beispiel für diese Art von Partnerschaft findet sich im Bereich der Überwachung des Blutzuckerspiegels (Blood Glucose Monitoring, BGM). ADI arbeitete hier gemeinsam mit Roche Diabetes Care an der Entwicklung einer elektrochemischen BGM-Plattform der nächsten Generation.
Die elektrochemische Impedanztechnik verbesserte die Genauigkeit des Überwachungsinstruments, indem sie die Auswirkungen äußerer Faktoren wie der Temperatur, der Umgebungsfeuchte und störender Einflüsse im Blut eindämmte. Dieses Konzept aber lässt sich problemlos auf das Erzielen besserer Ergebnisse bei der Erkennung von Infektionskrankheiten übertragen.
Wissen ist Macht
Ein einzelner Test, der für mehrere Krankheiten aussagefähige Resultate liefern kann, stellt ein reizvolles Konzept dar und birgt das Potenzial, eine entscheidende, präventive Funktion im Kampf gegen die Ausbreitung ansteckender Krankheiten zu übernehmen und den täglichen Umgang mit einer Vielzahl chronischer Leiden zu verbessern. Er kann sogar zur Optimierung des alltäglichen Wohlbefindens beitragen, indem die Menschen beispielsweise Aussagen über den spezifischen Vitamin- und Mineralbedarf ihres Körpers über die Zeit erhalten und Möglichkeiten geschaffen werden, nicht nur auf etwaige Krankheiten zu überwachen, sondern für die Aufrechterhaltung eines guten Gesundheitszustands zu sorgen.
Das Testen auf mehrere Pathogene kann auch eine Erleichterung für überlastete Kliniken und Arztpraxen bedeuten und dazu beitragen, die Zahl der von Labors auszuwertenden Proben zu verringern. Eine sehr große Bedeutung ergibt sich auch für die Volksgesundheit, indem den Menschen zeitnah mitgeteilt wird, ob sie krank sind und besser zu Hause bleiben sollten, oder ob es mit dem Einnehmen einer Allergietablette getan ist. Hinzu kommt, dass die Hürden für das Testen verkleinert wurden. Viele Menschen überlegen es sich zweimal, ob sie sich die Zeit für einen Testtermin in einer Arztpraxis nehmen sollen, aber es spricht kaum etwas dagegen, zu Hause einen Schnelltest durchzuführen, um sich der eigenen Gesundheit zu vergewissern, bevor man zum Yogakurs geht oder eine Familienfeier besucht.
Wer hätte gedacht, dass erst eine weltweite Pandemie kommen musste, um die Tür zu einer Verbesserung der individuellen und allgemeinen Gesundheit sowie zu einem besseren Zugang zu Gesundheits-Dienstleistungen für bislang unterversorgte Bevölkerungsschichten aufzustoßen?
Aileen Cleary
Marketing Manager, Medical Instrumentation and Life Sciences Analog DevicesKontakt
Analog Devices
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