Artikel der Woche: In der Corona-Pandemie waren schnelle Beatmungslösungen gefragt. Weinmann Emergency hat mit Hilfe eines EMS-Dienstleisters die Markteinführung seines Notfall-Beatmungsgeräts verkürzt, Materialkosten gesenkt und die Langlebigkeit des Produkts erhöht. Wir begutachten den Weg von der Leiterplatte zum Beatmungsgerät.

Wir haben für unser Beatmungsgerät Medumat Standard² einen EMS (Electronic Manufacturing Services)-Partner gesucht, der unsere hohen Qualitätsansprüche umsetzt und gleichzeitig effiziente und kostenoptimierte Prozesse unterstützt“, nennt Jan Herburg, Leiter Strategischer Einkauf bei Weinmann Emergency, die Anforderungen. Der Fertigungspartner sollte auf hochwertige Produkte in mittleren Stückzahlen ausgerichtet sein und zudem zur eigenen Unternehmensgröße passen.
„Mit Tonfunk haben wir einen EMS gefunden, der außerdem über umfangreiche Erfahrungen mit NPI-Prozessen verfügt. Wir haben uns bewusst gegen einen Fertiger außerhalb Deutschlands entschieden, weil uns neben der Beratungsqualität, die einfache sprachliche Verständigung und auch die örtliche Nähe wichtig war“, begründet der Einkaufsleiter die Entscheidung. „Für unsere Entwickler geht es um die beste Funktionalität der Produkte. Deshalb ist es wichtig, einen EMS-Partner zu haben, der begleitend die Anforderungen der Serienfertigung und der Testbarkeit in den Fokus rückt“, so Jan Herburg.
Es beginnt nicht erst bei der Leiterplatte
Für den Einkaufsleiter ist eine intensive Abstimmung mit dem EMS bereits in einem frühen Stadium der Produktentwicklung notwendig. So werden durch ein präventives Obsoleszenz-Management Kriterien wie Years to End of Life (YTEOL) für die langfristige Bauteilverfügbarkeit geprüft. Der Dienstleister weist bereits in einer ersten Vorstückliste auf mögliche Abkündigungsrisiken bei den Schlüsselbauteilen hin. Außerdem zeigte eine Preis- und Lieferzeit-Vorabschätzung 13 Bauteile mit Lieferzeiten von über 200 Tagen. „Es hat sich gezeigt, dass ein EMS-Dienstleister mit Erfahrungen im Allocation Management und guten Lieferkontakten besser in der Lage ist, die Lieferfähigkeit schlecht verfügbare Bauteile langfristig zu sichern. Das Einkaufsmanagement bei Tonfunk hat Bauteile mit Lieferzeiten von über sechs Monaten in Abstimmung mit uns bereits geordert, obwohl unsere Bestellung noch nicht vorlag. Das hat uns beim Time-to-Market einen erheblichen Vorteil gebracht“, berichtet der Einkaufsleiter. Zusätzlich ermittelte der EMS aus der Vorstückliste, ob qualitativ gleichwertige Komponenten zu einem besseren Preis verfügbar sind. Auf diese Weise konnte zum Beispiel für einen Steckverbinder mit Stückkosten von 1,50 Euro eine Alternative zum Preis von 0,69 Euro gefunden werden.
Im nächsten Entwicklungsschritt werden die Details für die Leiterplatte festgelegt. Der EMS ermittelt anhand der Eckparameter aus der Entwicklung, wie Lagenaufbau, Impedanz, thermische Vorgaben, Laminat usw. mögliche qualitäts- und kostenoptimale Leiterplattenlieferanten und ihre Richtpreise.

Weichenstellungen in der Prototypenphase
In der Prototypenphase 1 erfolgt die erste Erprobung der Funktionen. Die Muster werden fertigungsbegleitend durch eine Lotpasteninspektion (Solder Paste Inspection, SPI), eine automatische optische Inspektion (AOI) und durch eine Röntgeninspektion (X-Ray) geprüft.
„Die Prototypenphase ist wichtig für Korrekturen und Verbesserungen. Vom EMS werden wir durch sehr ausführliche Projektberichte mit Handlungsempfehlungen unterstützt. Sie erhalten wertvolle Hinweise, wie u. a. das Design for Manufacturing oder das Design for Testing für die Serienfertigung verbessert werden kann“, erläutert Jan Herburg. Der EMS hatte u. a. festgestellt, dass SMT-Komponenten zu dicht am Steckverbinder platziert sind und deren Lötverbindung dadurch brüchig werden könnte. Die Layout-Empfehlung lautete, den Abstand um 0,5 mm zu erhöhen.
Die nachfolgenden Prototypenphasen erfolgen bereits unter seriennahen Bedingungen. So wurde in der Musterphase ein Lötprofil optimiert, dass die Bauteile geringer belastet und so die Robustheit und Langlebigkeit des Beatmungsgeräts stärkt.

Serienfertigung mit lückenloser Qualitätsprüfung
Die bestückten Leiterplatten aus der Serienfertigung werden durchgängig geprüft. Die Entwickler haben die Prüfspezifikationen vorgegeben und der EMS hat die Prüfanweisungen umgesetzt und möglichst optimale Prüfabläufe definiert. Zusätzlich zu SPI und AOI erfolgen In-Circuit-Tests (ICT) inklusive Boundary-Scan-Tests und Funktionstests auf einem separaten Leiterplattenprüfstand. Hier werden auch komplexe Funktionen geprüft, wie zum Beispiel die Ansteuerung der Proportionalventile des Beatmungsgeräts. Abschließend findet bei Weinmann Emergency die Endprüfung jedes einzelnen Gerätes statt.
„Die Qualitätskennzahlen aus der Elektronikfertigung sind sehr gut und die Lieferzusagen werden vom EMS zuverlässig eingehalten. Es macht sich positiv bemerkbar, dass der EMS über eine eigene Produktentwicklung verfügt und unsere Anforderungen sehr gut versteht“, bewertet Jan Herburg die Arbeit des EMS-Dienstleisters. Der Einkaufsleiter hebt die Vorteile einer frühzeitigen Einbindung des Dienstleisters hervor: „Mit Hilfe des präventiven Obsoleszenz-Managements waren wir mit unserem Produkt früher am Markt. Durch die Auswahl kostenoptimierter Bauteile konnten wir Materialkosten einsparen und die vollständige Einhaltung der Fertigungsparameter gewährleisten.“
Autor:
Martin Ortgies, Freier Technikjournalist
Website von Tonfunk: www.tonfunk.de