Die Elektronenbeugung könnte in Zukunft viele kostspielige und zeitintensive Analysen von pharmazeutischen Verbindungen überflüssig machen.

Es gibt viele Akronyme für die Elektronenbeugungsexperimente im Nanomaßstab, wie zum Beispiel ED, 3D ED, ADT, EDT oder microED. Sie beruhen auf der Bestrahlung von Festkörpern mit Elektronen und der Gewinnung wichtiger Strukturinformationen aus Partikeln in Nanogröße. Die Diffraktometrie (oder Beugung) als Technik ist bei weitem nicht neu, allerdings sind geeignete Instrumente für entsprechende Experimente mit Elektronen (anstelle von Röntgenstrahlen) nicht leicht verfügbar. Bald werden allerdings Elektronendiffraktometer allgemein zugänglich sein. Das sind im Gegensatz zu Elektronenmikroskopen einfach zu bedienende und vergleichsweise handliche Geräte, die gezielt für hochwertige Beugungszwecke entwickelt wurden. Dadurch hat die Elektronenbeugung das Potenzial, zukünftige Forschung massiv zu beeinflussen. So könnten beispielsweise allein im Bereich der Arzneimittelentwicklung hunderttausende bekannter, aber nicht vollständig charakterisierter kristalliner Verbindungen erstmals auf ihr wissenschaftliches und kommerzielles Potenzial hin untersucht werden.
In der pharmazeutischen Industrie ist es von entscheidender Bedeutung, die räumliche Struktur einer chemischen Verbindung genau zu kennen. Sei es während Discovery, Development oder Formulation. Das Verständnis der richtigen dreidimensionalen Anordnung ist entscheidend für die Entwicklung, Zulassung und Patentierung von pharmazeutischen Wirkstoffen (API). Die Substanzen können mit Hilfe der Röntgenbeugung (der derzeit etablierten Technologie) nur dann im Detail untersucht werden, wenn sie in Form einzelner großer Kristalle vorliegen. Die meisten Verbindungen liegen jedoch in Form von Pulvern vor, und die Züchtung von Kristallen, die groß genug für Röntgenexperimente sind, dauert Wochen, Monate oder sogar Jahre. Dies erweist sich als kostspieliger Prozess. Mit der Elektronenbeugung kann eine vollständige strukturelle Charakterisierung direkt von kristallinen Produkten in Nanogröße durchgeführt werden, ohne dass eine zeitaufwändige Reinigung oder Umkristallisierung erforderlich ist. In diesem Sinne unterstützt die Elektronenbeugung entscheidende Schritte wie das Polymorph-Screening, ermöglicht die Identifizierung neuer fester Formen und den Nachweis möglicher Verunreinigungen. Dabei spart sie Zeit und Ressourcen. Durch die Integration der Elektronenbeugung in den Arbeitsablauf wird jede Detailstufe zugänglich, von der reinen Phasenidentifizierung bis hin zur molekularen Konnektivität, den Wechselwirkungen im festen Zustand und der absoluten Konfiguration.
Das weltweit erste Gerät, das ausschließlich der Elektronenbeugung gewidmet ist, ist das ELDICO ED-1. Die Hauptmerkmale und -komponenten sind z.B. die innovative horizontale Ausrichtung des Elektronenstrahls, eine radikal vereinfachte Optik, die nanopräzise Probenrotation, die auf einem extrem präzisen Goniometer mit 5 Freiheitsgraden basiert und eine integrale intuitive Software.
Es handelt sich also um ein in hohem Masse benutzerfreundliches Gerät, welches für die Messung von Proben im Bereich von 10 bis 1.000 nm ausgelegt ist und eine Auflösung von bis zu 0,84 Å mit mindestens 60-70 % vollständigen Datensätzen mit einem Rint<20% liefern soll. Diese Daten ermöglichen in der Regel eine Strukturlösung und -verfeinerung bis hinunter zu R1-Werten von <10 % in 75 % der Fälle, wobei die Einheitszelle mit einer Genauigkeit von 1:1.000 bestimmt werden kann. Dies ist ein entscheidender Vorteil für viele Herausforderungen, die bei Experimenten mit Proben in Nanogröße auftreten:
- Bestimmung der Kristallstruktur
- Bestätigung der absoluten Konfiguration
- Kristallkartierung von Phasengemischen
- Identifizierung von kristallinen Verunreinigungen
- Charakterisierung einzelner Polymorphe
- Nachweis von Mikrokristallinität in amorphen Materialien.
Die Elektronenbeugung ist auf dem Weg, sich zu einer etablierten Analysetechnik zu entwickeln. Mit Elektronendiffraktometern kann bald jedes Labor routinemäßig kristallografische Analysen an Proben durchführen, die bisher als unerreichbar galten. Dazu einige Beispiele. Im Gegensatz zu den heutigen Experimenten der Röntgenpulverdiffraktometrie (PXRD), bei denen der Wissenschaftler für jeden Test mindestens einige Milligramm der Probe bedurft, benötigt das Elektronendiffraktometer nur einige wenige Partikel. In einer Charge, die angeblich „eine“ polymorphe Form enthält, können manchmal andere polymorphe Formen aufgrund der Nachweisgrenze des verwendeten Experiments unbemerkt bleiben.
Diese neue Klasse von Analyseinstrumenten könnte kostspielige Experimente mit hochauflösenden/qualitativen PXRD-Synchrotronmessungen (bei denen die Ressourcen knapp und der Zugang zu den Instrumenten teuer sind) überflüssig machen. Für ein Elektronenbeugungsexperiment reichen Nanopulver aus, und eine Struktur kann direkt „aus dem Kolben“ gewonnen werden, wenn das Material kristallin ist. Ein spezielles Elektronendiffraktometer kann wichtige strukturelle Informationen schneller und besser liefern, da es in Bezug auf Effizienz, Datenqualität und Zeitaufwand für eine Messung den besten Ansatz darstellt.
Dieser Beitrag erscheint in der Ausgabe 2/2022.
Autor:
Dr. Eric Hovestreydt
Founder und Commercial CEO
Eldico Scientific